Forschung am Thünen-Institut (D) – Die Kälber wieder bei den Müttern lassen

22. August 2019

Der folgende Text und die Bilder stammen vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau in Deutschland, wo bereits seit rund 15 Jahren wertvolles Wissen rund um die muttergebundene Kälberaufzucht generiert wird (www.thuenen.de).

Kühe und Kälber gemeinsam im Stall und auf der Weide sind in der modernen Milchviehhaltung ein seltener Anblick. Meistens werden die Kälber kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und separat aufgezogen. Die muttergebundene Kälberaufzucht geht einen anderen Weg.

In den meisten modernen Milchviehbetrieben ist es heute üblich, das Kalb kurze Zeit nach der Geburt von der Mutter zu trennen. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen möchte man das Kalb vor Krankheitserregern schützen, die von der Mutter übertragen werden könnten, zum anderen vertieft sich die Mutter-Kind-Beziehung je länger Kuh und Kalb zusammenbleiben. Eine  rennung nach einigen Tagen bedeutet dann Stress für alle Beteiligten (Kalb, Kuh und auch Landwirtinnen und Landwirte). Die frühzeitige Trennung verhindert allerdings auch, dass mütterliche Verhaltensweisen von der Kuh ausgeübt und das Kalb positive Zuwendungen wie das Ablecken erfahren kann.

Um den Tieren wieder mehr artgerechtes Verhalten zu ermöglichen, haben sich einige Milchviehbetriebe dazu entschlossen, die muttergebundene Kälberaufzucht zu praktizieren. Im Gegensatz zur klassischen Aufzucht, in der die Kälber von Menschen mit Milch versorgt werden, können die Kälber in der muttergebundenen Kälberaufzucht bis zum Absetzen, wenn sie schon größere Mengen Festfutter zu sich nehmen, direkt am Euter der Kuh trinken. Hierbei nehmen die Kälber große Mengen an Milch auf und bestimmen den Zeitpunkt, wann und wie oft sie trinken, zum Teil selbst. Die „Mütter“ werden weiterhin gemolken. Auch wie man mit anderen erwachsenen Tieren umgeht, um zum Beispiel Auseinandersetzungen zu vermeiden, lernen die Kälber in der muttergebundenen Haltung.

Forscher des Thünen-Instituts beschäftigen sich seit 2004 mit der Frage, wie der Kontakt von Kuh und Kalb unter modernen Haltungsbedingungen ermöglicht werden kann und ob dies Vorteile für die Tiere und die Landwirtschaftsbetriebe mit sich bringt. Es wurde untersucht, wie sich diese Form der Aufzucht auf die Gesundheit der Kälber, die Leistungsfähigkeit der Kühe, aber auch das Verhalten der Tiere auswirkt. Die Versuche wurden immer in Kooperation mit der ETH Zürich, der VetmedUni Wien, der Universität Kassel oder der CAU Kiel durchgeführt.

Inzwischen findet das Verfahren vorrangig auf Bio-Betrieben Anklang. Aber auch für konventionell wirtschaftende Betriebe könnte die muttergebundene Aufzucht eine Alternative sein. Auch wenn schon einiges untersucht wurde – eine Reihe von Fragen ist noch offen. Wir werden uns diesen Fragen widmen und hier fortlaufend über Forschungsergebnisse berichten: Artikel Thuenen